Simson Supra und Sortimentserweiterung (1930)

Seit Mitte der 1920er‑Jahre experimentierte Simson mit sportlichen und luxuriösen Automobilen. 1924 brachten Löb und Moses Simson die ersten Supra‑Modelle auf den Markt: die von Paul Henze entwickelten Typen S und S‑Sport besaßen zwei Liter große Vierzylinder mit obenliegenden Nockenwellen und erreichten bis zu 140 km/h. 1925 folgte das preisgünstigere Modell So mit 40 PS, dessen Fertigung bis 1929 lief. Der wirtschaftliche Erfolg dieser Fahrzeuge ermöglichte es der Firma, ihre Belegschaft auszubauen – doch die Weltwirtschaftskrise und die sinkende Nachfrage nach Luxusautos veranlassten die Unternehmensführung, nach neuen Absatzmärkten zu suchen. Deshalb entschloss sich Simson 1930 überraschend, neben Waffen und Automobilen auch Kinderwagen zu produzieren. Diese Kinderwagen wurden in der gleichen Qualität gefertigt wie die Automobile und richteten sich an wohlhabende Familien. Der Schritt sollte das Unternehmen krisenfester machen und zeigte seine Flexibilität: „Es war verblüffend, dass neben den kraftstrotzenden Suprawagen plötzlich elegante Kinderwagen die Werkshallen verließen,“ erinnerte sich später ein Zeitzeuge.

Das Jahr 1930 leitete zudem die letzte Phase der Supra‑Baureihe ein. 1931 ersetzte der Sechszylinder Typ RJ den bisherigen Typ J; dank vergrößerter Bohrung leistete der 3,3‑Liter‑Motor 70 PS. Zugleich brachte Simson seinen ersten und einzigen Achtzylinder Supra, den Typ A. Mit 4,7 Liter Hubraum, 90 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 120 km/h demonstrierte dieser Wagen, wie weit die Ingenieure aus Suhl in nur wenigen Jahren gekommen waren. Kenner schwärmten von seiner Laufkultur: „Für mich verkörperte der Supra A den perfekten Mix aus Laufruhe und Rennsporttechnik.“ Die Modelle RJ und A wurden bis 1934 gebaut. Parallel dazu liefen die Kinderwagen vom Band, bis die Nationalsozialisten 1934 den jüdischen Eigentürcern die Firma entrissen. Diese „Sortimentserweiterung“ von Sportwagen zu Kinderwagen bleibt ein einzigartiges Kapitel der Unternehmensgeschichte – sie zeigt, wie Simson in schwierigen Zeiten neue Wege fand und zugleich seine Automobiltechnik zur Vollendung brachte.